Die KZ Gedenkstätte mitten in der Lüneburger Heide ist in ihrer schlichten Ruhe, schier endlos wirkenden Weite ein eindrückliches Mahnmal einer Ideologie, deren Zerstörungskraft in unterschiedlichen Ländern und Kontexten trotz deutscher Geschichte - der Hydra gleich - wieder neue Drachenköpfe wachsen lässt.
Während unseres Urlaubs haben wir auch Bergen-Belsen besucht. Vor ein paar Jahrzehnten weinte ich schon einmal an diesem Ort. Nie zuvor und nie danach liefen mir, als international ausgerichtetem Menschen, Schauer meines "Deutsch-Seins" den Rücken hinunter, wie dort.
Heute steht am Eingang zu der Gedenkstätte eine große, beeindruckende Ausstellung, untergebracht in einem innen dunklen grauen Betonkasten, der in seiner Einfachheit, mit seinen hohen Wänden das Gefühl für die Dimensionen der menschlichen Abgründe vermittelt.
Doch die eigentliche Gedenkstätte ist ein riesiger Park - kaum zu unterscheiden von anderen Ausflugsgebieten der Lüneburger Heide. Nur die langen Hügel mit der Aufschrift "Hier ruhen 300 Tote", "Hier ruhen 500 Tote", "Hier ruhen 1000 Tote", "Hier ruhen 5000 Tote" trüben die Idylle. Massengräber eines Vernichtungslagers. Gedenktafeln erinnern an Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, die hier ermordet wurden. Unter den Toten übrigens auch die 15 jährige Anne Frank.
Einer der Überlebenden von Bergen-Belsen war Heinz Galinski, lanjähriger Vorsitzender der jüdischen Gemeinde zu Berlin, sowie erster und vierter Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland. Er hatte vor seiner Befreiung in Bergen-Belsen durch die Briten auch die KZs Auschwitz und Mittel-Dora überlebt, dort aber seinen Vater und erste Frau verloren. Auch das war alles neu für mich, obwohl mir der Name Galinski sehr wohl bekannt war.
Meine Mutter war nach dem Krieg - es muss Anfang der 50er Jahre gewesen sein - Kindermädchen im Hause Galinski - und hat nicht nur das Schma Jisrael rezitieren und ein Chanukka-Lied singen gelernt, sondern konnte manch interessante Geschichte aus dem Haus Galinski erzählen. Ihr oblag die Betreuung der Tochter Evelyn (*1949), die heute gern als "streitbare Frau" beschrieben wird - weil sie sich z.B. vehement gegen eine palästinenserfeindliche israelische Politik äußert und selbst vor Vergleichen mit Nazis nicht zurück schreckt. Recht hat sie, denn eine zerstörerische Ideologie der Überlegenheit, ist nicht Privileg der Deutschen, sondern findet sich rechts und links (Galinski überlebte 1975 einen Paketbombenanschlag der Rote-Armee-Fraktion), in der Rassendiskriminierung Schwarzer in den USA, in der Unterdrückung von Christen in der Türkei und wohl auch im Umgang mit den Palästinensern. Ja, selbst im kirchlichen Raum begegnet einem die Ideologie des Abwertens von Menschen, die anders sind, als ich selbst.
Der Besuch in Bergen-Belsen hat mir noch einmal eindringlich vor Augen geführt, wohin ein solches Denken führt. Gegen Ende unseres Rundgangs standen Claudia und ich im "Haus der Stille" einem als "begehbare Skulptur" beschriebenen Raum der Andacht ... und schwiegen ... und beteten ...
Kyrie eleison.