Morgens, beim Erwachen, blicke ich auf den Schrank. Nicht irgendein Schrank. Es ist der Schrank unseres Hotelzimmers.
Beim ersten Betreten des Zimmers musste ich beim Anblick der braunen, dezent gemusterten Tapete, schlucken. Ehrlich gesagt fühlte ich mich gleich in die Erinnerungen an meine Oma zurück – auch wenn ich sie kaum kannte, solche Muster assoziiere ich mit ihr. Oder doch eher mit meiner Mutter? Keine Ahnung. Die braune Tapete hat mich im ersten Moment fast erschlagen, zumal die Vorhänge zugezogen waren, als wir anreisten, damit die Kühle des Zimmers erhalten blieb.
Zurück zum Schrank. Auch er ist mit den anthrazitfarbenen Feldern eher dunkel und doch mit der weißen Tür wieder sehr leicht gehalten. Holztöne im Rahmen geben dann die nötige Wärme. Dieser Schrank steht vor einer cremig gestrichenen Wand. Hell, freundlich warm. Unser Zimmer ist nicht groß und die Vielfalt an Facetten würde mich fast erschlagen, wenn sie nicht, wie hier, so harmonisch aufeinander abgestimmt wäre. Abgestimmte Vielfalt, die mich zur Ruhe kommen lässt, und ein Gegenteil ist von „bunt zusammengewürfelt“, vielleicht sogar wahllos.
Unser Zimmer überzeugt mich vom Gegenteil und ist gut aufeinander abgestimmt, durchdacht und ja, etwas, was mir in diesem Jahr besonders guttut – die Möblierung und Gestaltung sind klar: klare Farben, klare Strukturen. Mit dem Handy suche ich im Bett nach einem Ausschnitt, der nur die Farben erkennen lässt – nicht den Schrank. Und bin begeistert, inspiriert, berührt. Gerade beim Schreiben denke ich an „Bauhaus“. Nein, nicht an den „Spezialisten für Werkstatt, Haus & Garten“, sondern an Walther Gropius und die Aufbrüche im letzten Jahrtausend.
Auch die Farben und Formen auf meiner Ferienlektüre haben mich schon zu Hause angeregt und hatten wohltuende Wirkung für mich. Mein Mann meinte allerdings ich sei „krank“ ein Buch als Roman-Alternative zu lesen, durch das er sich vor Jahren durchkämpfen musste, aber ich weiß, dass Literatur mir guttut, auch wenn sie nicht jedermanns Geschmack und nicht immer leichte Kost ist. Bei dem Buch zeigt sich wieder mal, dass nicht nur Inhalt für mich wichtig ist, sondern die Verpackung ebenfalls. Und auch hier stimmt es – Klarheit von Farben, Formen und Inhalt ist ein Segen.
Zuletzt sind wir hier im Odenwald beschenkt mit einer Fülle an Grüntönen. Welche Augenweide: Grün, wohin das Auge blickt. Die Weite, in die wir von unserem Zimmer aus sehen können, ist Wohltat und Entspannung. Die kann ich gleich nach dem Erwachen genießen und die Harmonie bringt meine Seele zum Schwingen.
Natur und Kunst – beides brauche ich zum Leben und bin beschenkt, sie im Alltag wie im Urlaub entdecken zu können. Die Klarheit, die meinem Auge aktuell geschenkt ist, tut wohl, gerade in Zeiten, die wieder Umbruch und Veränderungen mit sich bringen. Meine Seele sucht sich und sieht, was sie braucht: Farbkompositionen der Klarheit und Entspannung.
18.07.2024/csb