Eine dunkle Nacht in Wüstenjerichow. Stille nach dem Weihnachtstreffen in Neuenhagen.
Das jüngste Mitglied der Familie damals und ich waren zum ersten Mal dabei. Überraschend für die einen. Spannende Erwartungen für beide. Wer sind die beiden? Die kleine, gerade ein paar Tage alt, die andere jünger als der Vater, der damals eine Badehose geschenkt bekam, denn er wollte mit der anderen in die Therme nach Templin.
Spannung, Erwartung, Neugier lag in der Luft. Ungewissheit. Was wird? Wann? Wo? Wie? – Und dann die eine dunkle Nacht in Wüstenjerichow, die eine Frage ans Licht brachte: „Kannst Du Dir vorstellen … ?“ Und ja, ich konnte mir vorstellen. Ich konnte mir vorstellen mich zu verloben. Ich konnte mir ein Leben mit Andreas vorstellen. Unser Verlobungsfoto aus Wüstenjerichow lässt uns gemeinsam in eine Richtung nach vorne schauen. Auch heute schauen wir gemeinsam nach vorne. Wir haben heute unser neues Haus in Besitz genommen. Genau sieben Jahre nach der Frage in Wüstenjerichow.
Damals hatten wir Träume, Visionen und Gedanken für den Ort und ein Leben in Wüstenjerichow und konnten uns sogar eine Fernbeziehung zwischen Hamburg und Wüstenjerichow vorstellen. Glaubten und dachten uns die Zukunft zwischen den Welten. Wie verrückt waren wir damals? Oder einfach verliebt? Bereits Ende Januar war klar, dass wir keine Fernbeziehung führen würden – nicht nach Hamburg und auch in Wüstenjerichow war die Perspektive nach knapp einem Jahr begrenzt für unser Leben, unsere Berufung, unsere Kraft und den Gedanken an die Nähe für Beziehungen im Alter.
Dass die Zeit in Schönebeck begrenzt sein würde, wussten wir. Länger hätten wir es uns gewünscht und vorstellen können. Auch nach Tiefen und Wunden, Fragen und Tränen, die die Zeit hier mit sich brachte. Was Corona mit uns und der Gemeinde machen würde, hätten wir uns nicht träumen lassen. Wobei ich der Corona-Zeit verdanke, dass ich Musiktherapeutin geworden bin und wieder Flötenunterricht bei meiner Lehrerin in Hamburg habe. Wer hätte gedacht, was via zoom alles möglich ist?
Ich nehme viel Reichtum mit in die nächsten Jahre, gesammelt auf dem gemeinsamen Weg durchs Leben mit Andreas bis heute. Wir packen wieder Kisten und Koffer. Das war in den sieben Jahren eine häufige Beschäftigung. Wir packten in Hamburg und Neuenhagen, in Wüstenjerichow und jetzt in Schönebeck. Wir packten Erinnerungen und Neuerworbenes, übten uns im Loslassen, mussten uns von Liebgewordenem trennen. Unser Leben hat sich verändert – und wir haben uns verändert.
Zu meinem Reichtum gehört ein wundervoller Mann, mit dem ich das Leben teilen kann, singe, musiziere, bete, Bibel lese, diskutiere, nachdenke, Fragen stelle, die auch unbequem sind – und der mir politisch, gesellschaftlich, ökumenisch den Blick geweitet hat, mit dem wir uns gemeinsam weiterbilden und Erinnerungen teilen.
Zu meinem Reichtum gehört eine Familie, in der ich den Platz der Oma einnehmen durfte und mich freuen kann mit den Kindern zu lernen, zu leben, Erinnerungen zu sammeln.
Reich bin ich mit „Herrn Pastorin“ im Dienst gewachsen zu sein, durchgehalten zu haben, und in meiner Berufung bestärkt zu sein. Beschenkt bin ich heute Abend mit drei Generationen auf den Knien gesungen und gebetet zu haben, und jetzt einfach sein zu können, meine Gedanken in Worte zu fassen, und mit der Musik im Hintergrund Gott zu loben, einfach weil ich bin, die ich bin: beschenkt mit sieben Jahren Leben und reich an Gnade. –
Aus der Kinderbibel las Andreas heut der Enkelin vor. Da hieß es: „Ein Geschenk kann man sich nicht verdienen; man bekommt es einfach so geschenkt. Du musst nur die Hand ausstrecken und es annehmen.“ Auch Leben ist ein Geschenk. Und das können wir nicht nur annehmen, sondern auch gestalten. Miteinander. Ich freue mich auf den Weg, der vor uns liegt, auch wenn er Herausforderungen und Arbeit mit sich bringt, im neu Ankommen und Einrichten – privat und beruflich. Wir gehen Schritt für Schritt – gemeinsam. Welch ein Geschenk!
27. 12. 24 / csb