Der rote Teppich ist ausgerollt. Das Schachspiel gestellt. Die Lesung war anders als gedacht.

HBuch Thomas Weigel: Tobias und der rote Teppicheute Abend habe ich erst die Doppelbedeutung des roten Teppichs verstanden, der als Teil des Buchtitels der Dekoration die Inspiration gab. Heute Abend wurde ein Roman gelesen über Lieben und Leiden in der DDR. Bisher hatte ich das Buch nur quer durchgelesen. Auch wenn ich aktuell viel lese, bleibt doch in unserer Abschieds-Umbruchs-Neubeginn-Zeit gerade keine Muße für einen Roman. Aber heute Abend hörte ich rein – zumal es die letzte Lesung hier im Schalom-Eck war, die ich als Pastorin der Gemeinde mitgestaltet habe. Ich hörte Bekanntes und Vertrautes, erfuhr Neues von damals, und anderes blieb mir fremd – meine Jugend lief doch so anders. Für mich war es kein Akt, mich konfirmieren zu lassen. Ich hätte reisen können, wohin ich wollte, und blieb doch meist im eigenen Land. Und die Geschichte vom Bibelschmuggler las ich als Jugendliche mit Faszination fast als Roman und war nie selbst Teil einer solchen Mission.

Menschen einer Generation saßen im Raum. Aus Ost und West und West-Berlin, ebenso aus dem Iran. Alle mit ihrer eigenen Geschichte. Nicht jede und jeder hat die Gabe zu schreiben, doch nach der Lesung kamen sie miteinander ins Gespräch. Über das Leben, die Liebe und manches Leiden. Und wieder mal lud die Atmosphäre im Raum ein, zu bleiben. Äußeres und Inneres bedingen sich. Gastfreundschaft zeigt sich auch im Detail.

Während unten noch Gespräche bei Kerzenschein im Gange sind, selbst „Herr Pastorin“ ist noch nicht zu Haus, habe ich die Freiheit zu schreiben. Mich zum einen rauszunehmen, zum anderen mich einzubringen - am Leben teilzugeben. Und das ist mir auch heute wichtig: Leben ist Geben und Nehmen. Anteil nehmen und das eigene Erleben weiterzugeben. Sich mitteilen, miteinander teilen, um Erinnerungen zu wecken, und auch der nächsten Generation einen Einblick zu geben: ins Leben, ins eigene Erleben. Dafür ist es gut, sich selbst mit seinem Erleben ins Spiel zu bringen. Auch für mich heißt das zu schreiben. Meine Geschichte.