...Prorektor.  Ich weiß gar nicht, ob es diesen Begriff überhaupt gibt, aber ich bin es bald: Alt-Prorektor, oder schlicht ehemaliger Prorektor.

Andreas in akademischer RobeAn der Theologischen Hochschule Friedensau bekleidete ich über etliche Jahre das Amt des Prorektors. In der akademischen Welt ist das der Stellvertreter des Rektors und muss dienstliche Verpflichtungen übernehmen, wenn dieser verhindert ist. Augenzwinkernd beschrieb ich meine Rolle meist so: Ich muss fleißig für den Rektor beten, damit dieser gesund bleibt ... denn wenn er krank wird, muss ich ran.

Natürlich habe ich den Rektor gerne vertreten, wenn er dienstlich oder krankheitsbedingt verhindert war. Das waren dann überwiegend Repräsentationspflichten. Natürlich habe ich gerne als Prorektor an Aufbau, Entwicklung und Pflege unseres E-Learningsystems gearbeitet. Natürlich war ich auch jede Woche in der Rektoratssitzung und einmal jährlich bei der Rektoratsklausur dabei und habe in Entscheidungsfragen meinen „Senf“ dazugegeben. Ich schaue dankbar auf diese Zeit zurück.

Dennoch habe ich mich jetzt, als die Wiederwahl anstand, nicht mehr für eine Wiederwahl zur Verfügung gestellt. Dafür gibt es Gründe.

Weil es sich um ein öffentliches Amt handelt und um Spekulationen entgegenzuwirken, habe ich mich auch entschieden meine Beweggründe, mich nicht mehr zur Verfügung zu stellen, offen zu legen:

  1. Meine neue Amtszeit hätte bis in den Ruhestand hineingereicht, d.h. ich hätte gar nicht eine volle Amtsperiode zur Verfügung gestanden. Ein Personalwechsel im Rahmen einer regulären Wahl schafft größere Planungssicherheit und Transparenz.
  2. Schon länger ist dem Rektorat (und auch mir) schmerzlich bewusst, dass keine Frauen im Rektorat sind. Ein Verzicht auf eine Wiederwahl ermöglicht hier eine längst überfällige Veränderung.
  3. Nach den Ordnungen der Hochschule empfiehlt der Senat die Prorektoren. Tatsächlich gewählt wird im Kuratorium der Hochschule. Da hier das Vertrauen mir gegenüber nicht mehr uneingeschränkt zu sein scheint, entlaste ich mit meiner Entscheidung von der ethischen Zwangslage, zwischen einer Empfehlung des Senats und eigenen Bedenken entscheiden zu müssen.

Die Gewichtung der drei Punkte ist nur in dieser Reihenfolge zu verstehen. Tatsächlich bestanden die Überlegungen zum Verzicht auf eine erneute Kandidatur bereits vor dem Sommer 2023 - also vor dem Schreiben und Erscheinen meines Artikels, in dem ich die biblischen Prinzipien, die für die Ehe gelten, auch für homosexuelle Partnerschaften als anwendbar bezeichnete. Jener Artikel führte bekanntlich zu massiven Vorbehalten gegenüber meiner Person. Die durch meine Entscheidung erfolgte Entlastung jener Kuratoriumsmitglieder ist also nur ein Nebeneffekt, der aber nicht unerwähnt bleiben soll.

Meinen Nachfolger:innen im Amt, wünsche ich Weisheit und Mut für die nicht immer leichten Entscheidungen, für die repräsentativen Pflichten guten Appetit für Häppchen und Canapés, sowie Segen im Mittragen der Verantwortung für die Hochschule. Ich selbst werde weiter für den Rektor beten, ihm auf Wunsch auch beratend zur Seite stehen und ansonsten die eingesparte Sitzungszeit dafür nutzen, mich den anderen Aufgaben von Forschung und Lehre für die mir verbleibenden gut zwei Jahre verstärkt zu widmen.

 

Ergänzend: Rücktritt