Ich will hören... Und plötzlich wird mir bewusst: ich stehe seit 50 Jahren unter einer Berufung.

Ja, der Begriff „Berufung“ war in der heutigen Predigt vorgekommen. Einer meiner Studenten hat in Friedensau gepredigt und dazu aufgerufen, die eigene Berufung zu leben.

Ja, auch die Zahl 50 kam heute vor. Ein Interview mit einem der bekanntesten adventistischen Verkündigern anlässlich seines 50. Dienstjubiläums weckte Erinnerungen an meine Zeit auf der Andrews University, an der er damals schon Pastor war.

Nein, mein Berufungserlebnis war nicht paulinisch, kein dramatisches Ereignis mit Blitz und Donnerstimme auf dem Weg nach Damaskus. Es gibt auch kein Datum für die Berufung. Es war ein Prozess, der im Laufe jenes Jahres reifte und dank zahlreicher Gespräche und Gebete zur Gewissheit wurde.

Nein, ich glaube nicht daran, dass „Berufung“ allein und ausschließlich ein übernatürliches Geschehen ist, seit ich zu meiner Ordination Eugen Drewermanns großes Opus „Die Kleriker“ geschenkt bekam. Beim Lesen dachte ich immer wieder: „Woher kennt der Kerl meine Geschichte? Woher?“ Es gibt viele psychologische und soziologische Faktoren, die ein Berufungserleben beeinflussen. Auch bedarf es der Bestätigung  der Berufung durch die Gemeinde, um keiner Selbsttäuschung zu erliegen.

Ja, ich bleibe dennoch dabei – ich bin nicht nur Gottes geliebtes Kind, ich habe auch eine Berufung zum Dienst eines Pastors – in Predigt, in Lehre, in Seelsorge. Ganz besonders in Seelsorge, nicht zuletzt, weil ich selbst ein wounded healer bin, ein Begriff, der mir über Henri Nouwen vertraut wurde, aber ursprünglich schon von Carl Gustav Jung geprägt wurde. Meine eigenen Verwundungen durften heilen.

Und ich habe entschieden, meiner Berufung treu zu bleiben, gegen die Widerstände meiner innerkirchlichen Feinde, gegen die Zweifel an manchen Überzeugungen aus Jugendzeiten, gegen die Verlockung des Geldes (in jedem anderen Beruf würde ich mehr verdienen). Auch nach 50 Jahren will ich nichts anderes sein als ein Pastor (ja, z.Zt. in der Funktion eines Hochschullehrers, Beraters und Supervisors, aber doch immer als Pastor).